Ausschnitte

... ich sitze auf halber höhe, mein kopf bei ihren hüften, der blick gesenkt, wenn man vor ihnen steht, auf augenhöhe und ihnen den becher hinhält, dann bekommen sie angst, ...

aus: bitte putzen

... beim anker hab ich mir einen zweiten becher geholt, einen mit plastikdeckel darauf, die flasche bleibt im rucksack, bei frauen kommt die flasche nicht gut, ...

aus: bitte putzen

... das kann doch nicht so schwierig sein, hat der erich gesagt, so ein nachmittag mit dem kind, geht raus, spielt was, lies ihm was vor, mach verdammt nochmal wenigstens die glotze aus, ...

aus: bitte putzen

... morgens kotze am beton, brocken und schleim, zu mittag wird das eingetrocknet sein, kann passieren, kann jedem einmal passieren, die leute machen einen bogen um die kotze herum, kotze am wohnzimmerboden, die legosteine vollgekotzt, ...

aus: bitte putzen

... tauben picken am pflaster herum, streiten um einen fetzen kebebfleisch, wenn ich still sitze, kommen sie ganz nah, ihr gefieder ist fettig wie der asphalt, ...

aus: bitte putzen

... und was ist mit den briefen da, hat der erich gesagt, schmeiß den alkohol raus, zieh dir was an, geh spazieren, geh ans telefon, mach wenigstens das geschirr oder die wäsche, mach dem postler auf, ...

aus: bitte putzen

Mein Kind sagt immer noch Mama zu mir.

aus: bitte putzen

Ich werde ausziehen aus dieser Mutter.

aus: Fische streicheln

Ich bin 30 Wochen alt. 
Ich bin 35 cm groß.
Ich wiege knapp über 1000 Gramm. 
Meine Vitalfunktionen sind ausreichend. 
Und ich habe einen Plan.

aus: Fische streicheln

Sagt nicht Frühchen zu mir!
Nennt mich nicht Mäuschen und nicht Würmchen!
Gebt mir keine Namen mit Verkleinerungsform!
Mein Name ist Frieda.
Ich bin hier um zu überleben.

aus: Fische streicheln

Die Wiesingerin liegt im Bett und das Kind verkehrt in der Wiesingerin drin.

aus: Im Schnee

Gratuliere, Greta, sagt er und legt der Wiesingerin das Neugeborene auf den Bauch. Wie soll es heißen, fragt er beim Hinausgehen. Nach dem Vater, sagt die Wiesingerin. 

aus: Im Schnee

Wenn ich nicht mehr kann, packe ich dich ins Auto. Ich zurre den Gurt fest. Du sitzt in deiner Schale und schaust mich an. Ich stecke dir den Schnuller in den Mund. Du lässt ihn fallen. Ich stecke ihn dir wieder in den Mund. Er hängt in deinem Mundwinkel.

aus: Hinter Hecken

Ich untersuche deinen Körper. Finde Symptome. Ich lese beim Netzdoktor nach. Ich baue Krankheitsgeschichten. Wir brauchen einen Termin!

aus: Hinter Hecken

Du liegst in deiner Schaukel. Schaust mich nur an. Ich bin eine gute Mutter, oder Rosie? Sa mir, dass ich eine gute Mutter bin!

aus: Hinter Hecken

Die Thujen werfen einen schmalen dunklen Streifen auf den Asphalt. Bis zum Auto reicht er bei Weitem nicht. Ich ziehe den Sonnenschutz hinunter. Links vorne. Rechts vorne. Links hinten und rechts neben dir. Ich habe Alu-Abdeckfolien besorgt. Du sollst es gemütlich haben, mein Schatz.

aus: Hinter Hecken

Letzte Sonnenstrahlen durchbohren die regenschwangeren Wolken.
Wie mit Wasserfarben gemalt, sagt Juliette. Und ich bin mit dem Rad da, sagt Christian. Er lässt sich aufs Bett fallen. Vögelchen, die Schuhe, sagt sie. Er zieht die Turnschuhe aus, betrachtet seine Tennissocken. Peinlich, Löcher, sagt er.

aus: Wir werden glücklich sein

Oder war es doch wegen der Note, die ich dir auf den Aufsatz gegeben habe? Ich habe ihn mit Herzklopfen gelesen. Dein Blick auf Romeo und Julia hat mir gefallen. Aber, das musst du schon verstehen, ich kann dir keinen Einser geben auf einen Aufsatz, in dem du nichts anderes schreibst als über uns. Ein Zweier ist doch auch eine gute Note, oder? 

aus: Wir werden glücklich sein

Ich bin 45. Der Test zeigt zwei Streifen. Der Vater ist mein Schüler.
Ich bekomme ein Kind von einem Kind.

aus: Wir werden glücklich sein

Paul und ich werden uns wieder vertragen. Und dem Vögelchen werde ich einen Einser oder einen Zweier geben im Jahreszeugnis, und wenn er mal Geld braucht, kann er zum Babysitten kommen. 

aus: Wir werden glücklich sein

In der Nacht kommt das Kind zu mir,
es drückt sich an meine Seite. Ich spüre seine Haare in meiner Achsel. Seinen Atem. Ich liege wach. Mit dem Kind an meiner Seite. Mit dem Kind in meinem Bauch.

aus: Herzschlag

Wir kauen, wir trinken,
man füttert uns mit Keksen und Milchkaffee. Jetzt schauen wir uns ins Gesicht. Beim Hinausgehen wünschen wir einander viel Glück.

aus: Herzschlag

Wenn man in dieser Stadt springt, springt man direkt in den Friedhof, sagt der Vater. Sagt der Fernsehmoderator. Sagst du, bei unserem ersten Spaziergang, mit Blick zur Schanze hinauf. Als wüsste ich das nicht. Man weiß das, wenn man hier aufgewachsen ist.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Ich kenne dieses Mädchen im Faltenrock mit den dicken Strümpfen an. Sie sitzt in Fahrtrichtung, weil sie immer in Fahrrichtung sitzt, weil ihr sonst übel wird. Ihre Füße baumeln über dem Boden, die Zehen kippen nach innen, eine Fußspitze berührt die andere. 

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Drüberbalancieren müsste man über die Bergkette, ganz oben am Grat. Hoch über der Stadt einen Fuß vor den anderen setzen, seiltanzen, die Arme weit ausgebreitet, einen roten Rollkragenpullover müsste man dabei tragen und Knickerbocker, die Haare zum Dutt aufgesteckt, barfuß gehen, weil man daheim ist im Fels.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Sie haben mich an der Hand genommen. Sie haben mir das Kleid ausgezogen und ich bin dagestanden, zitternd und nackt. Sie haben mich in ein Klinikhemd gesteckt, ein blütenweißes. Sie haben es vor mir aufgehalten, ich musste nur die Arme heben, sie haben es mir übergestreift. Sie haben mir Ruhe verordnet. Sind mit einer Spritze gekommen, haben meine Gedanken leiser gedreht. Sie haben mich auf Wolken gebettet und in Watte gepackt.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Man hat dich auf den Rücken gelegt. Den Kopf leicht erhöht. Besser für die Atmung, hat man mir gesagt. Und dass die Schmerzen in dieser Stellung vielleicht. Du bist Bauchschläfer. Du bist Seitenschläfer. Du bist kein Rückenschläfer.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Der Vater hatte beim Schlafen auch so einen Speichelrand, sagt Hannah neben mir. Und dich hat es gegraust, sagt sie. Du hattest Angst, dass er aufwacht, und dich küsst mit den Speichelrandlippen. Und dass du dich abwendest, den Kopf wegdrehst, ganz automatisch. Du hattest Angst, dass du ihn enttäuschst.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Es hat sich etwas eingeschlichen in deinen Geruch. Etwas Säuerliches, das vorher nicht da war. Man kann sich nicht wehren gegen einen Geruch. Er zieht einem in die Nase, legt sich unter die Haut und ums Herz.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Du schämst dich für das Krank-Sein. Für die Schläuche in deinen Venen, das Nachthemd, die Harnflasche, den Galgen, den Plastikbeutel, der deinen Urin auffängt, die Schlapfen, den durchnässten Verband. Du schämst dich für den Fraß, den sie dir gleich hinstellen werden. Du schämst dich für die Schnabeltasse und den ganzen Zustand hier.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Hannah reißt die Hände hoch. Es fliegt, es fliegt, die Hannah, die fliegt. Der Vater lacht. Die Mutter lacht. Reingefallen! Die Hannah, die bleibt schön stehen hier heroben am Dach und schaut sich das an.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt

Sie heben die Decke hoch, spannen sie auf. Halten sie über die Frau. Ich kann sie gerade noch sehen. Die Sanitäter senken die Decke ab. Wie eine Schicht dreckiger Frühlingsschnee liegt sie auf ihr. Darunter ist es sicher ganz warm.

aus: Über alle Berge, Romanprojekt
»